Brett 1+2: Berg und Rost | Bett 7: Ediz Kocak |
Endlich ist es wieder soweit, die königliche Jagdsaison ist eröffnet. Wir starteten wie üblich mit einem vereinsinternen Duell 7 vs 6. Aufgrund höherer Mächte wurde die 7.-te so aufgestellt, dass es heuer mit sehr viel Kampfgeist immerhin zum Abstieg reichen sollte. Verhalten pessimistisch zeigte sich infolgedessen die Stimmung in der Truppe. Nicht bei mir. Da ich gerne koche, bin ich immer bestrebt, anderen die Suppe zu versalzen.
Kurz: wir hatten alles Mögliche, nur nicht die Favoritenrolle.
Mein Mannschaftsführer gewährte mir als Narren die Freiheit, und so spielte ich auf vielfachen Wunsch eines Einzelnen an Brett 1. Damit erreichte ich bereits Saisonziel Nr. 1, nämlich den sich mühsam nach oben kämpfenden Roger mit einem kurzen Schwenk zu überholen, der in der 6.-ten an Brett 2 auflief.
Mein Gegner, der im Leben mit einer höheren Weihe und im Schach mit einer höheren Wertungszahl versehen ist, erlaubte mir, in meine Lieblingsvariante beim Grand-Prix-Angriff einzulenken. Meine Freude war von kurzer Dauer: Er packte seine Turnierlanze aus und hob mich im sechsten Zug mit d5 aus meinem
Buchsattel. Als er dann im neunten Zug auch noch f5 folgen ließ, überkamen mich kolumbianische Gefühle, ich betrat Amerika. Ähnlich wie Kolumbus lassen mich solche Züge immer alt aussehen, im Gegensatz zu diesem befinde ich mich im Schach aber ständig in neuen Ländern. Ich beschloss, mich von dem d5-f5-Schreck zu erholen. Es gelang mir, zu meiner Freude als Haremsfan, den Damenflügel abzuschließen. Nachdem ich es dann auch noch schaffte, das Zentrum zu blockieren, erschien mir am Horizont die Götterdämmerung mit dem schönen Namen Remis. Das verschaffte mir etwas Luft und ich kiebitzte kurz
in die anderen Partien.
Desider, der als Ersatz für den fernen Fritz einsprang, hatte an Brett 8 eine Figur weniger. An Brett 6 schien mir die Stellung des Mannschaftschefs solide mit leichtem Vorteil. Robert stand an Brett 5 keine Ahnung, ebenso wie Volker an 4, besonders gut sah beides aber nicht aus. Bei Werner an Brett 3 hoffte ich, dass er seinen Gegner, der ein schlauer Fuchs ist, beleuschnern würde und ihm ein unentschieden abluchsen könnte. Harald an 2 vermisste eine Qualität. Meine Zwischenbilanz: ein ganz normaler Schachabend mit etwas Hoffnung auf Remis und dahinschwindendem Suppensalz.
Spielleiter Richard verkündete noch, dass es ab jetzt Kaffee gäbe, was unseren Präsidenten zu der Bemerkung verleitete, der würde ihm jetzt auch nicht mehr helfen. Dies konterte ein anonymes Vereinsmitglied, das nicht erkannt werden möchte, mit der Aussage, wer Kaffeehausschach spielt, brauche denselben nicht. Daraufhin wurde er des Spielfeldes verwiesen, an dem Neuzugang Ediz, den das alles nicht die Bohne interessierte, gerade unseren Vorsitzenden entzauberte.
Mir war es mittlerweile gelungen, die h-Linie zu öffnen und gerade als ich mit freudigem Halali auf den feindlichen König losstürzen wollte, erreichte mich Hammernachricht Nr. 1. Desider beendete das Ackern des Mannes trotz eigener Minusfigur mit einem Sieg und legte damit in mir den Samen für ein kleines unverschämtes Hoffnungspflänzchen, zumal Ediz seine Zauberpartie nicht mehr ganz so überraschend siegreich zu Ende führte. Als dann vom Bossbrett die Siegesfanfare ertönte, betrachtete ich meine offene h-Linie mit noch größerer Freude.
Das Wunder des Abends bahnte sich neben mir an Brett 2 an. Harald hatte trotz des Qualitätsverlustes keinerlei Rost angesetzt, sondern vielmehr seinen Gegner gezwungen, eine Figur einzustellen. Roger versuchte noch, die drohende Team- und Individualniederlage aufzuhalten, indem er statt seiner meine Uhr drückte. Aber da ich seit dem Stahlbad Fürnried gegen alle Intrigen meiner Gegner gewappnet bin, drückte ich meine Uhr eiskalt zurück. Daraufhin machte Harald den Sack zu und meine h-Linie war immer noch offen. Mit zwei Türmen auf derselbigen zelebrierte ich die Totenmesse für den schwarzen König.
Als letzte Aufgabe für diesen Abend blieb mir nur noch, die Schachfreunde Werner und Volker zu überreden, ihre Spielstärke herunter zu dimmen, was mir erfreulicherweise gelang. Schließlich wollten wir kein Blutbad anrichten.
Nachdem wir das auch noch bei Robert gelungen war, hatte ich mit Müh und Not ein Lewandowski-Debakel beim Gegner verhindert.
Mit einem 5:3-Sieg auf dem Buckel radelte ich nach Hause und genoss bei einem Gläschen Grauer Wolf, einer süffigen Gutedelvariante aus Baden, unseren Sieg. Beim Hinwegschlummern träumte ich, dass Winfried auf einen Berg stieg und aus einem brennenden Busch sprach eine Stimme zu ihm: „Gehe hinaus in die Welt und spiele noch zehn solcher Partien.“
Ich dagegen sprach: „Oh Herr, ich bin nur ein armer blinder Schachsünder, der zufällig ein Korn gefunden hat und viel weiter als bis nach Neumarkt werde ich nicht kommen. Dort aber wird Heulen und Zähneknirschen sein.“ Da wandte sich der Herr ab und weinte bitterlich und auch mich befiel eine große Traurigkeit. Als aber am nächsten Tag die Sonne aufging, eilte ich in die Küche und suchte nach dem Salz.
5 | SW Nürnberg Süd 6 | DWZ | - | SW Nürnberg Süd 7 | DWZ | 3 - 5 | ||
1 | 1 | Meyer, Peter | 1848 | - | 1 | Berg, Winfried | 1639 | 0 - 1 |
2 | 2 | Walch, Roger | 1607 | - | 2 | Rost, Harald | 1650 | 0 - 1 |
3 | 3 | Leuschner, Günter | 1745 | - | 4 | Müller, Werner | 1632 | 1 - 0 |
4 | 4 | Kauer, Reinhard | 1676 | - | 5 | Elpelt, Volker | 1622 | 1 - 0 |
5 | 5 | Llugiq, Bajram | 1668 | - | 6 | Weidenhöfer, Robert | 1567 | 1 - 0 |
6 | 6 | Pahlen, Dietrich | 1652 | - | 7 | Bertram, Horst | 1603 | 0 - 1 |
7 | 7 | Pörzgen, Michael | 1651 | - | 8 | Kocak, Ediz | 1567 | 0 - 1 |
8 | 9 | Ackermann, Jörg | 1627 | - | 18 | Schiesser, Desider | 1452 | 0 - 1 |
Schnitt: | 1684 | - | Schnitt: | 1591 |