Frohgemut fuhr ich am Freitag, den 28.10., nach Langwasser. Das Spiellokal war leicht zu finden. Man muss nur immer weiter in die Dunkelheit fahren, bis man nichts mehr sieht. Dann ist man angekommen. Gut gelaunt war ich deswegen, weil mein Angstgegner von Anderssen, Sfr. Weber, an Brett 4 gemeldet war, während ich an Brett 1 spiele. Ich konnte mich also auf einen weberfreien Abend freuen.
Nach der Mannschaftsaufstellung befand ich mich sofort in einem Dilemma. Anderssen spielte ohne 3, weshalb ich sofort kontra geben wollte. Meine Freude blieb mir aber im Hals stecken, als ich merkte, dass nunmehr Sfr. Weber auf das Brett 1 hochgerutscht war. Ich unterließ also meine Spritze mit der Befürchtung, dass ich mir sofort ein Re einfangen würde. Letztlich war ich aber froh, dass die 3 stärksten Gegenspieler an diesem Abend nicht aufliefen.
Meine Freude erhöhte sich noch, als Sfr. Holiga seine Sturmhaube aufzog und dadurch erreichte, dass sein Gegner vor Angst und Schrecken nicht antrat.
Wir führten also zu Beginn bereits mit 1:0 (kampflos). Ich fühlte mich nach der Eröffnung relativ wohl, weil es mir gelungen war, meinen Gegner in eine Verteidigungsposition zu drücken, wobei ich aus früheren Schlachten schon wusste, dass sein Verteidigungsriegel schwer zu knacken ist und ich stets auf Konter aufpassen muss. Neben mir auf Brett 2 spielte, wie ich annahm, Fritz gegen Borussia Dortmund.
Dies erwies sich aber als Irrtum. Das T-Shirt war das Shirt eines Rugby-Vereins und entsprechend überfiel Fritzens Gegner ihn mit einer scharfen Gambit-Variante. Fritz kam sofort ins Schleudern und ich sah ihn schon in der Eröffnung unter die Räder kommen. Gottseidank war mein Großvater Postillion, so dass ich noch aus der damaligen Zeit von seinen Postpferden zwei Scheuklappen dabei hatte, die ich mir aufsetzte, um das Spiel meines Kollegen an Brett 2 nicht mit ansehen zu müssen. Die Partie kann nicht in vollständig veröffentlicht werden, da sie Gewaltszenen enthält, und somit unter den Jugendschutz fällt.
Nach Überwindung der Anfangsphase wagte ich einen kurzen Blick auf die anderen Bretter. Aaron war bereits auf dem Weg, seinen Gegner solide an die Wand zu fahren. Tim hatte sich etwas verkeilt, war aber mit schwarz auf Angriff gekommen. Der Gegner von Dietrich hatte versäumt, einen Antrag auf Entwicklungshilfe zu stellen und Raul entwickelte sich grundsolide. Robert spielte vorsichtig, um nicht in einen Angriff zu laufen. Ich setzte mich also wieder an mein Brett und begann mit meinem Königsflügelangriff, den mein Gegner mit einem Damenflügelangriff konterte. In der Zwischenzeit wurde mir signalisiert, dass Aaron zufrieden seine Gewinnpartie studierte.
Robert hatte in der Zwischenzeit remis gespielt und die Partie von Dietrich war auf dem Gewinnwege. Ich forcierte also meinen Angriff, konnte jedoch eine Abwicklung in ein Turmendspiel nicht verhindern. Emotional stand ich etwas besser, rational schätzte ich die Partie als remis. Ich bot also, nachdem ich die Bauernstruktur meines Gegners auf dem Königsflügel zu zerlegen drohte, remis an, welches dieser auch annahm. Sofort hörte ich den Tadel von Brett 2: „Warum bietest Du remis an, Du stehst doch besser“. Mit schlechtem Gewissen gab ich zuhause die Endstellung in meinen Taschenrechner ein. Dieser beendete seine Analyse mit der Bewertung: 0,00. Auch Klopfen, Schütteln und auf den Kopf stellen der Maschine half nichts, er blieb bei seiner eisernen Bewertung 0,00.
In der Zwischenzeit fand ich das Brett von Dietrich verwaist vor, was mich nicht wunderte, angesichts seiner Stellung.
Er hatte seinem Gegner den g6 -Rochadebauern ersatzlos herausgezupft und schickte sich zum Sieg an. Dieser erfolgte kurz darauf.
Später spielte er noch eine Freundschaftspartie mit seinem Gegner, die ihn offensichtlich mehr anstrengte.
Wir hatten also 4 Punkte und ich sah bereits, dass Raul im Vorteil war, so dass ich auf das ein oder andere Remis hoffte, um einen gemütlichen Abend zu erleben. Da wurde mir zugetragen, dass Tim ein Remis angeboten bekommen hatte. Ich hatte mir kurz vorher seine Stellung angesehen und schätzte diese als remis ab. Tim hat aber abgelehnt.
Als ich ihn daraufhin fragte, ob er ein Remis angeboten bekommen hat, er dies bejahte und ich ihn weiter fragte, ob er es abgelehnt hätte, was er ebenfalls bejahte, lobte ich ihn, weil ich ja immer Kampfgeist proklamiere. Innerlich beschloss ich aber, dem Vorstand einen Antrag vorzulegen mit dem Ziel, meine Nerven neu zu isolieren.
Kurz darauf bekam auch Raul ein Remis angeboten, welches dieser sofort ablehnte. Mein unsichtbares Aufstöhnen, welches in ganz Langwasser zu vernehmen war, führte immerhin dazu, dass er mitleidig zu mir kam und mich fragte, ob er remis machen solle. Ich antwortete ihm, dass ich sehr glücklich wäre, wenn er remis macht. Daraufhin spielte er weiter. Hätte ich allerdings auch, weil sein Gegner das ein oder andere Landbier mehr als seine Bauern beachtete.
In der Zwischenzeit bekam Tim in einer Endspielstellung, die ich als für ihn verloren abschätzte, abermals ein Remis angeboten, was er kühl ablehnte. Hier wandte ich mich ab und weinte still und bitterlich.
Kurz darauf kam die Meldung, dass Tim seine Partie gewonnen hatte. Keine Ahnung, wie er das geschafft hat, aber meine Freude war natürlich riesig.
Nun konnte ich mich entspannt den Partien von Raul und Fritz widmen. Die Stellung von Fritz hatte sich gewandelt von furchtbar fürchterlich zu fürchterlich.
Die Stellung von Raul war mittlerweile überlegen und er spielte die Angelegenheit souverän zu Ende.
Zu guter Letzt bekam auch noch Fritz nach einer weiteren Abwicklung ein Remis angeboten. Wie sich der geneigte Leser schon denken kann, wurde dies natürlich abgelehnt. Er hatte 3 frische Fische auf dem Brett mit den Namen Läufer, Springer und Turm gegen eine etwas abgehalfterte Dame seines Gegners. Zusammen mit der Bauernstruktur schaukelte Fritz seine Partie nachhause, die von Anfang an nicht zu gewinnen war. Falls ein höheres Wesen mir mit der Partie von Fritz Kirch beweisen wollte, dass es unerklärbare Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, so ist ihm dies gelungen. Seit dieser Partie glaube ich wieder an Wunder.
Das Partieformular von Aaron habe ich im Original diesem Bericht mitgegeben, er verwendet nämlich spanische Signatur.
Jeder Schachspieler wird aber in Kürze auch ohne seine freundliche Hinweise auf dem Formular erkennen, welcher Buchstabe für welche Figur steht.
Die Qualität der Bilder ist mies, weil ich meinen Foto vergessen hatte und mit meinem miesen Handy ohne Blitz aufnehmen musste.
Nach dem 7 : 1 und der Übernahme der Tabellenspitze fuhr ich feuchtfröhlich nachhause. Dort öffnete ich meine neueste Errungenschaft, einen weißen Lemberger blanc de noir, einen sehr milden Württemberger Wein. Überrascht war ich nur, dass mich meine Frau am nächsten Tag statt mit Wini Berg mit Lem Berg ansprach und dass sie bestritt, dass mein Gang auf den gestrigen Freudentaumel zurückzuführen ist. Dass ließ mich aber kalt.
WB
2. Runde Kreisliga 2 Mittelfranken-Mitte 2016/17 am 28.10.16 | ||||||||
4 | SG Anderssen/Nürnberg 1978 3 | DWZ | - | SW Nürnberg Süd 7 | DWZ | 1 - 7 | ||
1 | 4 | Weber, Willibald | 1598 | - | 1 | Berg, Winfried | 1569 | ½ - ½ |
2 | 5 | Dietrich, Thomas | 1596 | - | 2 | Kirch, Fritz | 1644 | 0 - 1 |
3 | 7 | Kögler, Christian | 1424 | - | 3 | Osuna Sanchez-Infante, Raul | 1595 | 0 - 1 |
4 | 8 | Pohl, Rainer | 1439 | - | 4 | Höhenberger, Robert | 1631 | ½ - ½ |
5 | 9 | Keller, Adam | 1350 | - | 5 | Pahlen, Dietrich | 1628 | 0 - 1 |
6 | 10 | Kraus, Markus | 1046 | - | 7 | Holiga, Friedrich | 1593 | - - + |
7 | 11 | Lipski, Frank | - | 8 | Mateo, Aaron | 0 - 1 | ||
8 | 13 | Bernowsky, Martin | - | 16 | Hofmann, Tim | 0 - 1 | ||
Schnitt: | 1408 | - | Schnitt: | 1610 |